ruhendes und bewegtes Koordinatensystem mit zwei Schiffen (Quelle: Deckplan der HMS Beagle, Wikimedia Commons)
Begriffe und Vereinbarungen
Alles ist relativ?
Der Effekt ist vielen bekannt: Man schaut im Bahnhof aus dem Zugfenster auf einen anderen Zug und ist unsicher, welcher von beiden sich bewegt. Erst ein ein Blick auf den Rest der Welt löst das Gefühl auf. [br][br]Ohne diesen Blick nach außen ist die Lage aber hoffnungslos: Es gibt keine keine Möglichkeit, die gleichförmige Bewegung des Zuges innerhalb des Zuges nachzuweisen, ohne äußere Referenzen zu verwenden.[br][br]Das bedeutet aber zwangsläufig: Ruhe und gleichförmige Bewegung sind nicht unterscheidbar und damit gleichberechtigte Zustände. Eine absolute Bewegung gibt es nicht, ein Koordinatensystem ist so gut wie irgendein anderes - solange keine Beschleunigungen auftreten. Dieser Umstand wird als [i]Galileisches Relativitätsprinzip[/i] bezeichnet.[br][br]Wenn aber alle Koordinatensysteme gleichberechtigt sind - wie lassen sich Beobachtungen (und das heißt vor allem: Experimente, Messdaten und physikalische Theorien) in verschiedenen Systemen vergleichen? Die Kernfrage lautet daher: Wie sieht ein Experiment aus einem anderen System betrachtet aus? Offenbar [br]benötigt man dazu Formeln zur Umrechung zwischen den Systemen. Solche Transformationen sind [br]Gegenstand der Relativitätstheorie(n).
Koordinatensysteme
Für die Untersuchungen werden zwei Koordinatensysteme auf Schiffen betrachtet. Auf spiegelglatter See ist nicht zu erkennen, ob sich nur eines oder beide bewegen. Da es aber ohnehin keine Rolle spielt, kann man ohne Beschränkung der Allgemeinheit das untere, blaue Schiff als ruhend betrachten. Zur Vereinfachung gelten ab jetzt folgende Festlegungen:[br][br][list][*]Anders als bisher üblich wird die x-Achse waagerecht und die t-Achse senkrecht gezeichnet.[/*][*]Man legt die x-Achsen der Systeme parallel und in Bewegungsrichtung des oberen Schiffes.[/*][/list][list][*]Die Koordinaten im O-System (wie 'orange' oder 'oben') werden mit [br]einem Strich versehen, um sie von den Koordinaten des B-Systems (blau) [br]zu unterscheiden.[/*][/list][list][*]Zum Zeitpunkt [code]t=0[/code] liegen beide Nullpunkte auf derselben Höhe: [code]x'(0)=x(0)=0[/code].[/*][/list]
Gleichförmige Bewegung in einem System
Zunächst geht es darum, Verfahren und Werkzeuge kennenzulernen. Starten Sie GeoGebra und bearbeiten Sie die folgenden Aufgaben:[br][br][list][*]Für die Geschwindigkeit des O-Systems wird ein Schieberegler mit dem Namen [code]v[/code] verwendet. Stellen Sie dessen Eigenschaften ein: Wertebereich 0 bis 3, Schrittweite 0.1[/*][/list]Die Position des orangen Systems lässt sich als Punktfolge [code]P=(x(t)|t)[/code] darstellen. Außerdem ist, da die Bewegung gleichförmig ist, [code]x(t) = v⋅t[/code]. [br][list][*]Fügen Sie eine Folge von Punkten P = (x|t) ein, welche die Positionen des O-Schiffes zu den Zeiten t=1 bis t=6 markieren. Verwenden Sie dazu die Eingabezeile von GeoGebra: [code][/code][code][br]P = Folge((v*t, t), t, 1, 6)[/code][br][/*][*]Legen Sie eine Gerade durch zwei der Punkte. Sie stellt die Bewegung des O-Systems (genauer: des O-Ursprungs) im B-System dar.[/*][/list]
Soweit alles klar? Dann kommen jetzt die zwei wesentlichen Gedanken:[br][list=1][*]Die Punkte auf der eben im B-System gezeichneten Geraden x=vt bilden gleichzeitig die Gerade x'=0 im O-System, denn dort bewegt sich der Koordinatenursprung nicht.[/*][*]Der Gerade x=0 bildet die t-Achse des B-Systems. Also muss die Gerade x'=0 die t'-Achse des O-Systems bilden.[br][/*][/list][br]
Galilei-Transformation
Jetzt kommen die zwei wesentlichen Gedanken für alles weitere:[br][list=1][*]Die Punkte auf der im B-System gezeichneten Geraden x=vt bilden gleichzeitig die Gerade x'=0 im O-System, denn dort bewegt sich dessen Koordinatenursprung nicht.[/*][*]Alle Punkte der Geraden x=0 bildet die t-Achse des B-Systems. Also muss die Gerade x'=0 die t'-Achse des O-Systems bilden.[/*][/list]Dieser Zusammenhang kann verwendet werden, um mit dem Diagramm Koordinaten zwischen B- und O-System umzurechnen. Dazu werden die Koordinaten an den richtigen Achsen abgelesen - und zwar parallel zur jeweils anderen Achse des Systems.
Am Diagramm ist zu erkennen:[br][list=1][*]Die Zeitkoordinaten t und t' sind stets gleich, egal wo und wann E stattfindet: t'=t.[/*][*]Für die Ortskoordinaten x und x' gilt: x' = x - vt.[/*][/list]Diese beiden Formeln zur Umrechnung von Koordinaten (Transformation) heißen Galilei-Transformation. [br][br]Um die Transformation umzukehren, sind zwei Schritte notwendig:[br][list][*]alle Koordinaten mit Strich werden durch Koordinaten ohne Strich ersetzt und umgekehrt[/*][*]Die Geschwindigkeit v wird durch -v ersetzt[/*][/list] [br]Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Anwendung der Transformation.