Beispiele für Kettenlinien

[size=200][b]I. Einleitung[/b][br][math]\quad\quad[/math]Beispiele für Kettenlinien[/size]
Haben Stromleitungen im Sommer eine andere Form als im Winter?
In meiner Schulzeit (60er Jahre 20. Jhdt.) erklärte der Physiklehrer, dass man die Ausdehnung von Metallen daran erkennen könne, dass die Stromleitungen im Sommer tiefer durchhängen als im Winter.
Wie kann die Form der Kette beschrieben werden?
Schon Galileo Galilei hat sich diese Frage gestellt und vermutet, dass eine frei hängende Kette die Form einer Parabel annimmt.
Die Kettenlinie
Frei hängende Leitungen, Ketten, oder Seile nehmen eine Form an, die in der Mathematik als [b]Kettenlinie[/b] bezeichnet wird.[br][br]Auf den folgenden Seiten wird beschrieben, für welche mathematische(n) Funktion(en) der Graph eine Kettenlinie ist, und mit welchen Parametern die Funktion genau so geformt werden kann, dass ihr Graph mit einer der abgebildeten Linien übereinstimmt.[br][br]Untersuchungen zur Länge der Kettenlinie zwischen den Aufhängepunkten werden Argumente zur Beantwortung der Frage liefern, ob das unterschiedlich tiefe Durchhängen von Stromleitungen wirklich ohne zusätzliche Hilfsmittel beobachtbar ist.
[size=50][right]Alle Fotos auf dieser Seite: Eigene Aufnahmen[/right][right][/right][/size]

Cosinus hyperbolicus

[size=200][b]II. Mathematische Grundlagen[/b][br][math]\quad\quad[/math] Cosinus hyperbolicus und Sinus hyperbolicus[/size]
Für die mathematische Beschreibung von Kettenlinien wird die Funktion Cosinus hyperbolicus benötigt.[br]Auf dieser Seite werden diese Funktion und einige ihrer Eigenschaften vorgestellt.[br]Die Anwendung der Funktion erfolgt im nächsten Kapitel.
Definition
Die Funktion [math]f\left(x\right)=\cosh\left(x\right)=\frac{e^x+e^{-x}}{2}[/math] heißt Cosinus hyperbolicus.
Eigenschaften
Die Funktion [math]f\left(x\right)=\cosh\left(x\right)[/math] ist aufgrund der Definition symmetrisch zur y-Achse.[br]Ihr Graph ist einer Parabel ähnlich, lässt sich aber nicht exakt durch eine Parabel überdecken.[br]Der Definitionsbereich ist [math]\mathbb{D}_{f}=\mathbb{R}[/math].[br]Der Wertebereich ist [math]\mathbb{W}_{f}=\{y\in \mathbb{R}|y\ge 1\}[/math].
Ableitungen
Aus der Definition ergibt sich mithilfe der Faktor-, Summen- und Kettenregel[br][math]f'(x)=\left(\frac{1}{2}\cdot\left(e^x + e^{-x}\right)\right)' =\frac{1}{2}\left(e^x - e^ {-x}\right)=[br]\sinh(x)[/math][br][math]f''(x)=\left(\frac{1}{2}\cdot\left(e^x - e^{-x}\right)\right)' =\frac{1}{2}\left(e^x + e^ {-x}\right)= \cosh(x)[/math][br]
Definition
Die Funktion [math]f'\left(x\right)=\sinh\left(x\right)=\frac{e^x-e^{-x}}{2}[/math] heißt Sinus hyperbolicus.
Vergleich der hyperbolischen Funktionen mit der gewöhnlichen trigonometrischen Sinus- und Kosinusfunktion
Ableitungen[br][math][br]\begin {array}{l|l|l}[br]\text{ } & hyperbolische \; Fktn. & trigonometrische \; Fktn. \\[br]\hline[br]\text{ } & \boldsymbol{\cosh(x)} & \boldsymbol{ \cos(x)} \\[br]\hline[br]\text{1.Ableitung} & \sinh(x) & -\sin(x) \\[br]\hline[br]\text{2.Ableitung} & \cosh(x) & -\cos(x) \\[br]\hline[br]\text{3.Ableitung} & \sinh(x) & \sin(x) \\[br]\hline[br]\text{4.Ableitung} & \cosh(x) & \cos(x) \\[br]\end {array}[br][/math]
Beziehungen[br][math][br]\begin {array}{l|rl|rl}[br]\text{ } & hyperbolische & Funktionen. & trigonometrische & Funktionen. \\[br]\hline[br]{\rm (I)} [br] %% Die römische Gleichungsnummer soll nicht in kursiv erscheinen, deshalb \rm[br] %% Die Syntax von {\rm bla bla} ist anders als bei \mathrm{bla bla}[br] &\cosh^2(x) - \sinh^2(x ) &= 1 [br] & \cos^2(x) + \sin^2(x) &= 1 \\[br]{\rm (II)} [br] &\cosh(x \pm y) &= \cosh(x)\cosh(y) \pm \sinh(x)\sinh(y) [br] & \cos(\alpha \pm \beta) &= \cos(\alpha)\cos(\beta) \mp \sin(\alpha)\sin(\beta) \\[br]{\rm (III)} [br] & \sinh(x \pm y) &= \sinh(x)\cosh(y) \pm \cosh(x)\sinh(y) [br] & \sin(\alpha \pm \beta) &= \sin(\alpha) \cos(\beta) \pm \cos(\alpha) \sin(\beta) \\[br]{\rm (IV)} [br] & \cosh(2x) &= \cosh^2(x)+\sinh^2(x) [br] & \cos(2x) &= \cos^2(x) - \sin^2(x)\\[br]{\rm (V)} [br] & \sinh(2x) &= 2 \cdot \sinh(x)\cdot\cosh(x) [br] & \sin(2x) &=2 \cdot \sin(x)\cdot \cos(x) \\[br]{\rm (VI)} [br] & -1 + \cosh(x) &= 2 \cdot \sinh^2\left(\frac{x}{2}\right) [br] & 1 + \cos(x) &=2 \cdot \cos^2\left(\frac{x}{2}\right) \\[br]\end {array}[br][/math]
Exemplarischer Beweis für (I):
Führt man [math]\sinh(x)[/math] und [math]\cosh(x)[/math] auf die Definition mit [math]e\small{-}[/math]Funktionen zurück, sind die Beweise für die Beziehungen zwischen den hyperbolischen Funktionen alle sehr einfach.[br][br][math][br]\begin{array}{lr}[br]\cosh(x) + \sinh(x) = \frac{e^x + e^{-x}}{2} \;+\; \frac{e^x - e^{-x}}{2} = e^x &\quad \rm{(i)} \\[br]\cosh(x) - \sinh(x) = \frac{e^x + e^{-x}}{2} \;-\; \frac{e^x - e^{-x}}{2} = e^{-x} &\quad \rm{(ii)} \\[br] & \\[br]\mathsf{\text{Einerseits gilt nach der 3. binomischen Formel}} & \quad \\[br]\left(\cosh(x)+\sinh(x)\right)\cdot \left(\cosh(x)-\sinh(x)\right)=\cosh^2(x) - \sinh^2(x) &\quad \rm{(iii)} \\[br] & \\[br]\mathsf{\text{Andererseits gilt nach }}\rm{(i)} \mathsf{\text{ und }}\rm{(ii)} & \quad \\[br]\left(\cosh(x)+\sinh(x)\right)\cdot \left(\cosh(x)-\sinh(x)\right)=e^x \cdot e^{-x} = 1 &\quad \rm{(iv)}\\[br] & \\[br]\mathsf{\text{Aus }}\rm{(iii)} \mathsf{ und }\rm{(iv)} \mathsf{\text{ folgt}} & \quad \\[br]\cosh^2(x) -\sinh^2(x) = 1 & \quad \mathsf{\text{ q.e.d.}}[br]\end{array}[br][/math][br]

… nach Foto, mit Schieberegler

[size=200][b]III. Ermitteln der Funktion (Teil 1)[/b][/size][br][math]\quad\quad[/math][size=200]… nach Foto, mit Schieberegler[/size]
Statische Ansicht
Die Kette hängt zwischen den Aufhängepunkten A und B, die voneinander einen Abstand von ungefähr 1,4m haben.[br]Das Bild wird so in das Koordinatensystem eingepasst, dass diese beiden Punkte symmetrisch zur y-Achse liegen. [br]Die x-Achse könnte beliebig gelegt werden, hier verläuft sie ungefähr auf der Höhe der Oberkante der Steinmauer.[br]Bei dieser Wahl von Maßstab und Lage der Achsen befinden sich die Aufhängepunkte bei[br]A=(-0.70|0.53) und B=(0.70|0.53).
Anpassen der Funktion mit Hilfe eines GeoGebra-Applets
Um die Kette in der Abbildung durch eine Cosinus hyperbolicus Funktion zu beschreiben, muss diese Funktion angepasst werden:[br][list][*]Streckung oder Stauchung um einen Faktor [math]a[/math] in y-Richtung[/*][*]Streckung oder Stauchung um denselben Faktor [math]a[/math] in x-Richtung[/*][*]Verschiebung in y-Richtung, so dass der Graph durch die Punkte A und B verläuft.[br][/*][/list][sub]Anmerkung: Streckung in x- und y-Richtung müssen um denselben Faktor erfolgen, vgl. Herleitung.[/sub]
Die Streckung in y-Richtung erfolgt durch Multiplikation der Funktion [math]\cosh(x)[/math] mit einem Faktor:[br][math]f_a(x)=a \cdot \cosh(x)[/math].[br]Mit [math]a=2[/math] werden dadurch z.B. alle Funktionswerte doppelt so groß.[br][br]Die Streckung in x-Richtung erfolgt dadurch, dass [math]x[/math] durch [math]\frac{x}{a}[/math] ersetzt wird.[br]Ist z.B. [math]a=2[/math], so werden die gleichen Funktionswerte wie vorher erst bei einem doppelt so großen x-Wert erreicht.[br][br]Also lautet unsere Funktion vorläufig[br][math]f_a(x)=a\cdot\cosh\left(\frac{x}{a}\right)[/math][br][br]Der Graph dieser Funktion wandert mit größer werdendem [math]a[/math] jedoch immer weiter nach oben.[br]Er soll jedoch unabhängig von [math]a[/math] stets durch die Punkte A und B verlaufen.[br]Dazu wird der Graph nun in zwei Schritten in y-Richtung verschoben:[br][list][*]An den Stellen der Aufhängepunkte bei [math]\pm c[/math] mit [math]c = 0.7[/math] hat der bisherige Funktionsterm den Wert [math]a\cdot\cosh\left(\frac{c}{a}\right)[/math].[br]Ziehen wir diesen Wert bei der Funktion ab, so wird der Graph bei [math]x = \pm c[/math] die x-Achse schneiden, dort also Nullstellen haben.[/*] [br][*]Nun muss der Graph nur noch um die Höhe [math]h=0.53[/math] nach oben verschoben werden, damit er durch die Aufhängepunkte verläuft.[/*][br][/list]Somit lautet die endgültige Funktion [br][math]\boxed{f_a(x)=a\cdot\cosh\left(\frac{x}{a}\right) - a\cdot\cosh\left(\frac{c}{a}\right) + h}[/math], [br]oder mit den Werten [math]c=0.7[/math] bzw. [math]h=0.53[/math][br][math]f_a(x)=a\cdot\cosh\left(\frac{x}{a}\right) - a\cdot\cosh\left(\frac{0.7}{a}\right) + 0.53[/math][br]
Das Bild wurde jetzt in den Hintergrund gelegt.[br]Die Funktion [math]f_a(x)=a\cdot\cosh\left(\frac{x}{a}\right)-a\cdot\cosh\left(\frac{c}{a}\right)+h[/math] ist mit [math]c=0.7[/math] und [math]h=0.53[/math] mit variablem Parameter [math]a[/math] dargestellt.[br][br]Stellen Sie den Wert für [math]a[/math] mit dem Schieberegler so ein, dass der Graph möglichst genau mit der Kette übereinstimmt!

Formel zur Berechnung der Kettenlänge

[size=200][b]IV. Länge der Kette[/b][br][math]\quad\quad[/math]Formel zur Berechnung der Kettenlänge[/size]
Formel für die Länge einer Kurve
Die Formel zur Berechnung der Länge für einen Abschnitt eines Funktionsgraphen lautet[br][math]l=\int \limits_a^b \sqrt{1+\left(f'(x)\right)^2}\,\mathrm{d}x[/math][br]Dabei wird vorausgesetzt, dass die Funktion [math]f[/math] auf dem ganzen Intervall [math]\left[a;b\right][/math] stetig differenzierbar ist.
Anwenden auf die Kettenlinie
Für den in der Abbildung rot dargestellten Abschnitt der Kette zwischen den Aufhängepunkten A und B an den Stellen -c bzw. +c gilt[br][math]l=\int \limits_{-c}^{c} \sqrt{1+\left(f'(x)\right)}\,\mathrm{d}x[/math].[br]Dabei ist[br][math]f(x)=a\cdot\cosh\left(\frac{x}{a}\right)-a\cdot\cosh\left(\frac{c}{a}\right)+h[/math] und somit[br][math]f'(x)=a\cdot\sinh\left(\frac{x}{a}\right)\cdot\frac{1}{a}[/math], also[br][math]f'(x)=\sinh\left(\frac{x}{a}\right)[/math]. [br]Gleichung (I) aus den mathematischen Grundlagen lautet [math]\cosh^2(x)-\sinh^2(x)=1[/math], daraus folgt [math]\cosh^2(x)=1+\sinh^2(x)[/math]. Damit ergibt sich[br][math]l=\int \limits_{-c}^{c} \sqrt{1+\sinh^2\left(\frac{x}{a}\right)}\,\mathrm{d}x\;=\;\int \limits_{-c}^{c} \sqrt{\cosh^2\left(\frac{x}{a}\right)}\,\mathrm{d}x\;=\;\int \limits_{-c}^{c} \cosh\left(\frac{x}{a}\right)\,\mathrm{d}x \;=\; \left[a\cdot\sinh\left(\frac{x}{a}\right)\right]_{-c}^c\[/math][br][math]l\,=\, a\cdot\sinh\left(\frac{c}{a}\right)-a\cdot\sinh\left(\frac{-c}{a}\right)[/math] [br][math][br]\boxed{[br]l\,=\,2a\cdot\sinh\left(\frac{c}{a}\right)[br]}[br][/math][br][br]Bei der oben abgebildeten Kette ist c=0.7 und a=0.717 (siehe vorige Seite).[br]Somit ist die Länge des rot dargestellten Kurvenabschnitts[br][math]l=2 \cdot 0.717 \cdot \sinh\left(\frac{0.7}{0.717}\right)\,\approx\, 1,633[/math].[br][br]Bei einem Abstand der Aufhängepunkte von 1,4m und einem Durchhang von 0,37m ergibt die Berechnung also eine Kettenlänge von ca. 1,63m.

… aus Länge u. Pfeilerabstand

[size=200][b]V. Ermitteln der Funktion (Teil 2)[/b][br][math]\quad\quad[/math]... aus Länge u. Pfeilerabstand[/size]
Berechnung des Formparameters a bei symmetrischer Kette
Bisher wurden nur Kettenlinien mit gleich hohen Aufhängepunkten untersucht (bei den meisten Ketten dürfte das der Fall sein). Dann wird man das Koordinatensystem so legen, dass die y-Achse zur Symmetrieachse wird.[br]Auch hier betrachten wir zunächst diesen einfacheren symmetrischen Fall:[br][br]In Kapitel IV wird zur Berechnung der Kettenlänge die Formel[br][math]l = 2 a \cdot\sinh \left(\frac{c}{a}\right)[/math][br]hergeleitet. Dabei ist c der halbe Pfeilerabstand.[br]Da es üblich ist, dass die gesuchte Größe auf der linken Gleichungsseite steht, könne wir die Gleichung zu[br][math][br]\boxed{[br]2 a \cdot\sinh \left(\frac{c}{a}\right) = l[br]}[br][/math][br]umstellen. Diese Gleichung für a kann mit dem CAS-Modul von GeoGebra gelöst werden.
Im Algebra-Fenster von GeoGebra sehen wir die Punkte A und B.[br]c wird definiert als Betrag der x-Koordinate von A.[br]Die Kettenlänge l kann über den Schieberegler eingestellt werden.[br]Dann kann im CAS-Fenster die Gleichung GL: 2*x*sinh(c/a)-l=0 definiert werden.[br](Das x steht für die gesuchte Größe a).[br]Die Lösungen der Gleichung werden von GeoGebra durch den Operator [b]NLösungen[/b] gefunden und als Liste erzeugt.[br]Dann kann a als zweites Element dieser Liste definiert werden.[br]Die Funktionsgleichung ist [br][math][br]\boxed{[br]f(x)=a \cosh\left(\frac{x}{a}\right)-a \cosh\left(\frac{c}{a}\right)+h[br]}[br][/math].[br]Für das Grafikfenster wurde diese Funktion mit der Bedingung |x| [math]\le[/math]c definiert, damit vom Graphen der Funktion nur der Abschnitt zwischen den Aufhängepunkten gezeichnet wird.[br][br][br]

Reihenentwicklung von cosh

[size=200][b]VI. Vergleich Kettenlinie - Parabel[/b][br][math]\quad\quad[/math]Reihenentwicklung der cosh-Funktion[/size]
1. Kettenline ersetzen durch eine Parabel
Wir betrachten eine Kettenlinie, die durch die Aufhängepunkte A(-c|h) und B(c|h) verläuft. Die Funktionsgleichung ist[br][math][br]f(x)=a \cosh\left(\frac{x}{a}\right) - \cosh\left(\frac{c}{a}\right) + h[br][/math], oder mit [math]b := - \cosh\left(\frac{c}{a}\right) + h[/math][br][math][br]\boxed{[br]f(x)=a \cosh\left(\frac{x}{a}\right) + b[br]}[br][/math][br]Die Form der Kette wird mit dem Schieberegler für a verändert.[br]Der Tiefpunkt der Kettenlinie ist S(x[sub]S[/sub],y[sub]S[/sub]).[br][br]Durch die drei Punkte A, B und S ist auch eine Parabel (achsensymmetrisch zur y-Achse) eindeutig bestimmt.
Die Parabelgleichung ist allgemein[br][math]p\left(x\right)=\alpha\cdot x^2+\beta\cdot x+\gamma[/math][br]Aus der Achsensymmetrie folgt [math]\beta=0[/math].[br]Die Parabel soll durch S verlaufen, also ist [math]\gamma=y_S[/math][br]Der Parameter [math]\alpha[/math] wird durch [math]p\left(c\right)=h[/math] bestimmt:[br][math][br]\begin{align}[br]p(c) = \alpha\cdot c^2 + y_S &= h \quad\quad\Rightarrow \\[br]\alpha\cdot c^2 &= h-y_S[br]\end{align}[br][/math][br]Nun ist aber [i]h[/i]-[i]y[/i][sub]S[/sub] gleich dem Durchhang [i]d[/i], und aus [math]\alpha\cdot c^2 = d[/math] folgt [math]\alpha =\frac{d}{c^2}[/math].[br]Also lautet die Gleichung der Parabel, die durch A, B und C verläuft[br][math][br]\boxed{[br]p(x) = \frac{d}{c^2}\cdot x^2 + y_S[br]}[br][/math][br]Verändern Sie die Form der Kettenlinie mit dem Schieberegler für den Parameter a und bestätigen Sie:[br][b]Je weniger die Kette durchhängt, desto besser kann die Kettenlinie durch eine Parabel angenähert werden.[/b]
2. Reihenentwicklung für die Cosinus-hyperbolicus-Funktion
Die Kettenlinie kann auch anders als durch eine Parabel angenähert werden, nämlich durch ein Polynom.[br]Wegen der Achsensymmetrie muss der Grad des Polynoms gerade sein.[br][br]Da für die Exponentialfunktion gilt[br][math][br]\begin{align}[br]e^x &= \;\;\;1 + \; 1\cdot x + \frac{1}{2}\cdot x^2 + \frac{1}{6}\cdot x^3 + \frac{1}{24}\cdot x^4 + ...\\[br] &= \frac{1}{0!}\cdot x^0 + \frac{1}{1!}\cdot x^1 + \frac{1}{2!}\cdot x^2 + \frac{1}{3!}\cdot x^3 + \frac{1}{4!}\cdot x^4 + ...\\[br] &= \sum\limits_{i=0}^{\infty}{\frac{1}{i!}\cdot x^i} [br]\end{align}[br][/math][br]gilt auch [br][math][br]\begin{align}[br]e^{-x}[br] &= \sum\limits_{i=0}^{\infty}{\frac{1}{i!}\cdot (-x)^{i}} \\[br] &= \;\;\;1+ \frac{1}{1}\cdot (-x)^1 + \frac{1}{2}\cdot (-x)^2 + \frac{1}{6}\cdot (-x)^3 + \frac{1}{24}\cdot (-x)^4 + ...\\[br] &= \;\;\;1 - 1\cdot x + \frac{1}{2}\cdot x^2 - \frac{1}{6}\cdot x^3 + \frac{1}{24}\cdot x^4 + ...\\[br]\end{align}[br][/math][br]In der Summe [math]e^x + e^{-x}[/math] heben sich dann alle Summanden mit ungeradem Exponenten auf, und die mit geradem Exponenten treten zweimal auf:[br][math][br]\begin{align}[br]\cosh(x) &= \frac{1}{2}\left(e^x + e^{-x}\right) \\[br] &= \frac{1}{2}\left([br]\;\;\;1 +1 \; + \frac{1}{2}\cdot x^2+ \frac{1}{2}\cdot x^2 \; + \frac{1}{24}\cdot x^4 + \frac{1}{24}\cdot x^4 + ...[br] \right) \\[br] &= \frac{1}{2}\cdot 2\cdot\left([br]\;\;\;1 + \frac{1}{2}\cdot x^2 + \frac{1}{24}\cdot x^4 + \frac{1}{720}\cdot x^6 + ...[br] \right)[br]\\[br]&= \sum\limits_{i=0}^{\infty}{\frac{1}{(2i)!}\cdot x^{2i}}[br]\end{align}[br][/math][br]Die einfachste (nicht-lineare) Näherung für die Kettenlinie ist daher [br][math][br]t_2(x) \approx a\cdot \left( 1 + \frac{1}{2}\cdot\left(\frac{x}{a}\right)^2[br]\right) \; + b[br][/math][br]Eine etwas bessere Näherung für die Kettenlinie ist [br][math][br]t_4(x) \approx a\cdot \left( 1 + \frac{1}{2}\cdot\left(\frac{x}{a}\right)^2 + \frac{1}{24}\cdot\left(\frac{x}{a}\right)^4[br]\right) \; + b[br][/math][br]und noch besser wäre[br][math][br]t_6(x) \approx a\cdot \left( 1 + \frac{1}{2}\cdot\left(\frac{x}{a}\right)^2 + \frac{1}{24}\cdot\left(\frac{x}{a}\right)^4 + \frac{1}{720}\cdot\left(\frac{x}{a}\right)^6[br]\right) \; + b[br][/math][br]Im Applet oben können Sie sich diese Polynomfunktionen anzeigen lassen (sogenannte Taylor-Polynome). Mit dem Schieberegler für n können Sie die Anzahl der berücksichtigten Summanden verändern.[br][b]Die Kettenlinie kann mit diesen Polynomen um so besser angenähert werden, je höher der Grad des Polynoms ist.[/b]

Herleitung der Differentialgleichung

[size=200][b]VII. Warum Cosinus hyperbolicus?[/b][br][math]\quad\quad[/math]Herleitung der Differentialgleichung[/size]
Hier geht es um die Physik bei einer frei hängenden Kette oder einem frei hängenden Seil.[br]Aus den physikalischen Gesetzen für die auftretenden Kräfte ergibt sich eine Differentialgleichung.[br]Die Lösung dieser Differentialgleichung führt genau auf eine Cosinus-hypberbolicus-Funktion.
Kräfte im Randpunkt B
Die Kette übt auf den Aufhängepunkt bzw. die Spitze des Pfeilers B eine Zugkraft F[sub]K[/sub] in Richtung der Tangente an die Kurve aus. [br][size=85]Eine Kette (oder ein Seil) kann im Angriffspunkt nur eine Kraft in Richtung der Kette ausüben, denn sie kann keine Kraft senkrecht (quer) zur Kettenrichtung ausüben.[/size][br]Die Zugkraft F[sub]K[/sub] wird in eine horizontale Komponente F[sub]h[/sub]und eine vertikale Komponente F[sub]v[/sub] zerlegt:
Die Kraft F[sub]v[/sub] drückt den Pfeiler bei B nach unten in den Boden. Eine gleich große Kraft wirkt auch auf den Pfeiler bei A. Beide Kräfte zusammen entsprechen der Gewichtskraft der Kette, jeder Pfeiler trägt eine Hälfte der Kette.[br]Der Endpunkt der Kette bei B würde seine Position unter dem Einfluss dieser Kräfte verändern, wenn F[sub]h[/sub] und F[sub]v[/sub] nicht durch ebenso große Kräfte kompensiert würden.[br]Dadurch, dass der Pfeiler durch die Kraft F[sub]v[/sub] minimal zusammengedrückt wird, erzeugt er - wie eine zusammengedrückte harte Schraubenfeder - eine Gegenkraft -F[sub]v[/sub], die nach oben gerichtet ist. [br]Die Kraft F[sub]h[/sub] biegt den Pfeiler minimal nach links, wodurch er eine Gegenkraft -F[sub]h[/sub] nach rechts auf das Endglied der Kette ausübt.[br]Diese Gegenkräfte sind in der Abbildung grün dargestellt.[br]Die Kräfte -F[sub]h[/sub] und -F[sub]v[/sub] ergeben zusammen die Kraft F[sub]P[/sub], die der Pfeiler insgesamt auf die Kette ausübt.
Kräftebilanz im Punkt P zwischen Tiefpunkt und Randpunkt B
Auf ein Kettenglied an dieser Stelle müssen sich alle Kräfte, die darauf wirken, auch wieder gegenseitig aufheben, denn sonst würde sich dieses Kettenglied aufgrund der resultierenden Kraft in eine andere Position bewegen.[br]Auf dieses Kettenglied wirkt eine Kraft schräg nach rechts oben, ausgeübt durch den Kettenabschnitt rechts von P, diese Kraft ist im folgenden GeoGebra-Applet grün dargestellt.[br]Schräg nach links unten wirkt die Kraft vom linken Abschnitt der Kette, in rot dargestellt.[br]Den Kettenabschnitt rechts von P können wir entfernen und stattdessen den Punkt P durch einen versetzten und verkürzten Pfeiler fixieren. Dann übt dieser Pfeiler die gleichen Kräfte aus wie zuvor der rechte Kettenabschnitt, und im ganzen Kettenabschnitt links von P ändert sich nichts:
Die Kraft F[sub]k[/sub] ist wieder in Richtung der Kette gerichtet.[br]Die vertikale Komponente F[sub]v[/sub] ist jetzt etwas geringer: Während der linke Pfosten unverändert das halbe Gewicht der ursprünglichen Kette trägt, hat der rechte Pfosten bei P nur noch das Gewicht des Kettenabschnitts rechts vom Tiefpunkt zu tragen.[br]Versetzt man den Punkt P in den Tiefpunkt, wird die vertikale Kraftkomponente sogar zu 0, denn dort verläuft die Kette horizontal und kann keine vertikale Kraft ausüben. Der rechte Pfosten hätte dort keinen Kettenabschnitt mehr zu tragen, sondern müsste nur noch die waagerechte Zugkraft kompensieren.[br][b]Die vertikale Kraft F[sub]v[/sub] ist gleich der Gewichtskraft des Kettenabschnitts rechts der y-Achse.[/b][br][br]Die horizontale Kraftkomponente F[sub]h[/sub] ist jetzt im Endpunkt P der Kette noch genauso groß wie zuvor im Endpunkt B. Das kann man unterschiedlich begründen. Zum Beispiel muss der Pfosten bei P noch immer genauso viel Kraft nach rechts ausüben wie der Pfosten bei A (unverändert) nach links auf die Kette ausübt. Würden die von außen auf die Kette wirkenden horizontalen Kräfte sich nicht mehr ausgleichen, könnte die Kette nicht im Ruhezustand sein.[br][b]Die horizontale Kraft F[sub]h[/sub] ist unabhängig davon, wo sich der Punkt P auf der Linie der ursprünglichen Kette befindet.[/b][br]
Die Kettenlinie werde durch eine noch unbekannte Funktion [math]f\left(x\right)[/math] beschrieben.[br]Die Steigung im Punkt P ist dann [br][math][br]\phantom{\mathrm{I} \quad\quad}[br]f'(x)=\tan(\alpha_x)=\frac{\left|{-F_v}\right|}{\left|-F_h\right|}[br][/math].[br][math]\left|-F_v\right|[/math] ist dabei so groß wie die Gewichtskraft [math]F_G[/math] des Kettenabschnitts rechts der y-Achse und [math]\left|-F_h\right|[/math] ist konstant:[br][math][br]\mathrm{I} \quad\quad\quad[br]f'(x)=\frac{F_G(x)}{\left|-F_h\right|}[br][/math].[br][br]
1. Term für die Gewichtskraft
Die Masse des Kettenabschnitts von der y-Achse bis zum Punkt P ist proportional zu seiner Länge, also ist [math]m(x)=\rho\cdot l(x)[/math]. Dabei kann man [math]\rho[/math] als Masse pro Längeneinheit interpretieren.[br]Für die Gewichtskraft dieses Abschnitts gilt [br][math][br]\begin{align}[br]F_{G}(x) &= m(x) \cdot g \\[br]\mathrm{II}\quad\quad\quad [br]F_{G}(x) &= \rho\cdot l(x)\cdot g[br]\end{align}[br][/math] [br]wobei [math]g[/math] der Ortsfaktor oder die Fallbeschleunigung ist, die auf der Erde ca. [math]g=9,81\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s}^2}[/math] beträgt.[br]Die Länge [math]l[/math]des Abschnitts rechts der y-Achse ist [br][math][br]\mathrm{III}\quad\quad\quad [br]l(x) = \int\limits_0^x{\sqrt{1+f'(t)^2}}\,\mathrm{d}t[br][/math][br]Wir setzen III in II ein und erhalten[br][math][br]\mathrm{IV}\quad\quad\quad [br]F_{G}(x)=\rho\cdot g \cdot \int\limits_0^x{\sqrt{1+f'(t)^2}}\,\mathrm{d}t[br][/math]
2. Term für die horizontale Kraft
Die horizontale Kraft ist unabhängig von der Position des Punktes P auf der Kettenlinie. [br]Wenn P ganz am rechten Rand der Kette auf B liegt, ist [math]x=c[/math], und die vertikale Kraft ist [math]\left|-F_v\right|= F_G(c)[/math] und gleich der Gewichtskraft der rechten Hälfte der Kette. Daher ist[br][math]F_G(c)=\frac{1}{2}\,M\cdot g = \frac{1} {2} \,L\cdot\rho\cdot g[/math] [br]Dabei ist [math]\frac{1} {2} M[/math] die Masse und [math]\frac{1} {2} L[/math] die Länge des Kettenabschnitts von der y-Achse bis zum Punkt B.[br]An dieser Stelle c gilt[br][math][br]\begin {align}[br]f'(c) &= \tan(\alpha_c) \\[br]f'(c) &= \frac{\left|-F_v\right|}{\left|-F_h\right|} \\[br]\mathrm{V}\quad\quad\quad f'(c) &= \frac{F_G(c)}{\left|-F_h\right|} [br]\end{align}[br][/math][br]Daraus folgt[br][math][br]\begin {align}[br]\left|-F_h\right| &=\frac{1}{f'(c)}\cdot F_G(c) \\[br]\mathrm{VI}\quad\quad\quad \left|-F_h\right| &=\frac{1}{f'(c)}\cdot \frac{1} {2} \,L\cdot\rho\cdot g \\[br]\end{align}[br][/math][br][br]
3. Aufstellen der Differentialgleichung
Die Terme aus IV und VI werden in Gleichung I eingesetzt:[br][math][br]\begin{align}[br]f'(x)&=\frac{F_G(x)}{\left|-Fh\right|}\\[br]f'(x)&=\frac{\rho\cdot g \cdot \int\limits_0^x{\sqrt{1+f'(t)^2}}\,\mathrm{d}t}{\frac{1}{f'(c)}\cdot \frac{1} {2} \,L\cdot\rho\cdot g}\\[br]f'(x)&=\frac{2\, f'(c)}{L}\cdot\int\limits_0^x{\sqrt{1+f'(t)^2}}\,\mathrm{d}t\\[br]\frac{L}{2\, f'(c)}\cdot f'(x)&=\int\limits_0^x{\sqrt{1+f'(t)^2}}\,\mathrm{d}t\\[br]\end{align}[br][/math][br]Dass sich [math]\rho[/math] und [math]g[/math] herauskürzen bedeutet, dass die gesuchte Funktion nicht von [math]\rho[/math], also der Masse pro Längeneinheit, und auch nicht von der Fallbeschleunigung [math]g[/math] abhängt:[br][b]Eine leichtere oder schwerere Kette würde bei gleicher Länge und gleichem Pfostenabstand die gleiche Form annehmen, und bei anderer Fallbeschleunigung (z.B. auf dem Mond) wäre die Kettenform ebenfalls gleich.[/b][br][br]Den konstanten Faktor auf der linken Seite ersetzen wir durch eine Konstante, z.B. durch [math]a := \frac{L}{2 f'(c)}[/math].[br]Dann ist [br][math][br]\begin{align}[br]\mathrm{VII}\quad \quad\quad[br]a\cdot f'(x)&=\int\limits_0^x{\sqrt{1+f'(t)^2}}\,\mathrm{d}t\\[br]\end{align}[br][/math][br]Das unhandliche Integral verschwindet, wenn wir beide Seiten dieser Gleichung nach [math]x[/math] ableiten. Beim Ableiten des Integrals mit unterer Grenze 0 und oberer Grenze [math]x[/math] erhalten wir wieder den Integranden:[br][math][br]\mathrm{VIII} \quad\quad\quad [br]\boxed{[br]a\cdot f''(x) = \sqrt{1+f'(x)^2}[br]}[br][/math][br]Auf der nächsten Seite wird gezeigt, wie eine Funktion gefunden werden kann, die Lösung dieser Differentialgleichung ist.[br]

Aufgabe 1

[size=200][b]VIII. Aufgaben[/b][/size]
Aufgabe 1
Ermitteln Sie für die Hochspannungsleitung aus Kapitel IV, 2. Seite, um wieviel m sie im Sommer tiefer durchhängt als im Winter![br]Abstand der Aufhängepunkte: 2[i]c[/i]=220m[br]Höhe der Aufhängepunkte: [i]h[/i]=35m[br][i]a[/i][sub]Sommer[/sub] = 980m[br][i]a[/i][sub]Winter[/sub] = 1160m[br]Funktionsgleichung:[br][math]f\left(x\right) = a\cdot\cosh\left(\frac{x}{a}\right) - a\cdot\cosh\left(\frac{c}{a}\right) + h[/math]
Obwohl beim Übergang vom kalten Wintertag zum heißen Sommertag die Änderung beim Durchhang fast zehnmal so groß ist wie die Änderung bei der Länge der Leitung, dürfte sie wegen des großen Betrachtungsabstands kaum wahrnehmbar sein.

Abstand der Strommasten

[size=200][b]IX. Anhang[/b][br]Abstand der Strommasten[/size]
Der Abstand der Strommasten wurde im Kapitel IV, Seite 2, mit 220m angegeben.[br]So wurde der Abstand ermittelt:
In OpenStreetMap sind die Strommasten zu erkennen, ich habe sie durch Kreise gekennzeichnet.[br]Unten links ist der Maßstab der Karte angegeben. Daraus ergibt sich der Abstand von ca. 220m.[br][br]Aus den Metadaten der Fotos wurde der Aufnahmestandort ausgelesen und als Suchziel eingegeben.Von der Aufnahmeposition blickt man nahezu senkrecht auf die Verbindungslinie der beiden Strommasten, und auch fast senkrecht auf die Ebene der betrachteten durchhängenden Stromleitung.[br][br]Ein Problem bei den Aufnahmen war, die Kamera (Handy) bei beiden Aufnahmen möglichst exakt horizontal zu halten. Das ist mir nicht ganz gelungen, ich musste beide Fotos am PC nachträglich noch ein bisschen drehen, damit die Aufhängepunkte der betrachteten Leitung sich auf gleicher Höhe (y-Koordinate) befinden.[br][br]Ein anderes Problem war, dass beim Blick schräg nach oben die senkrecht stehenden Masten scheinbar ihre Spitzen ein wenig zueinander neigen. Ist die Blickrichtung der Kamera genau waagerecht, ist dieser Effekt weniger stark. Damit beide Fotos beim Übereinanderlegen möglichst gut übereinstimmen, musste ich das eine Foto noch geringfügig entzerren. Optimal wäre es natürlich gewesen, beide Fotos vom selben Standort mit einem guten Stativ mit einer guten Kamera und gleicher horizontaler Ausrichtung zu machen.

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