Wenn eine Binomialverteilung [math]P(n;p;X=k)[/math] für alle [math]k[/math] berechnet wird und wenn die für jedes [math]k[/math] berechneten Wahrscheinlichkeiten in ein Koordinatensystem eingetragen werden, dann erhält man die typische Glockenkurve. Eigentlich setzt sich diese Glocke aber aus vielen Säulen zusammen. Insbesondere für große [math]n[/math] kann man die einzelnen Stufen, die von den benachbarten Säulen erzeugt werden, kaum noch erkennen. Der Rand der Glockenkurve sieht dann so glatt aus, wie ein Funktionsgraph aus der Analysis. Wenn wir im Weiteren eine Funktionsgleichung für diese Funktion finden, dann können wir auch Analyse- und Rechenmethoden aus der Analysis auf die Binomialverteilung anwenden.
Die Zufallsvariable [math]X[/math] in der Binomialverteilung gibt die Anzahl [math]k[/math] der günstigen Ereignisse wieder, wenn [math]n[/math]-mal ein Bernoulli-Experiment durchgeführt wird. [math]k[/math] ist daher immer eine ganze Zahl. Daher sagt man, [math]k[/math] ist eine [b]diskrete Zufallsvariable[/b] und die Binomialverteilung ist eine diskrete Verteilung. Diskret, weil sie aus einer endlichen Anzahl von Zahlen besteht. Werden alle mit der Binomialverteilung berechneten Wahrscheinlichkeiten In Abhängigkeit von [math]k[/math] in ein Koordinatenkreuz eingetragen, dann entsteht dabei eine Stufenfunktion.[br]Degegenüber gibt es auch [b][color=#980000]stetige Wahrscheinlichkeitsvariablen[/color][/b]. Für diese sind unendlich viele Werte möglich, die auch beliebig dicht beeinander liegen können. Ein Beispiel dafür ist die Körpergröße eines Menschen. Menschen haben nicht nur ganzzahlige Körpergrößen, wie [math]172\,cm[/math] oder [math]186\,cm[/math], sondern auch eine Größe von [math]177,12432\,cm[/math] ist möglich. Die Wahrscheinlichkeit dafür, wie groß ein Mensch wird, kann aber auch schön mit einer Glockenkurve dargestellt werden (siehe [url=https://wikiless.org/wiki/K%C3%B6rpergr%C3%B6%C3%9Fe_eines_Menschen?lang=de]Wikipedia "Körpergröße eines Menschen"[/url]).[br]Viele stetige Zufallsvariablen sind als Glockenkurve darstellbar, man sagt sie sind "normalverteilt".
Eine Funktionsgleichung muss mehrere Bedingungen erfüllen, um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung als Glockenkuve darzustellen:[br][list=1][*]Der Funktionswert an den Rändern, für sehr große und sehr kleine Werte sollte gegen Null gehen[/*][*]Sie sollte ein Maximum bei unserem Erwartungswert [math]\mu[/math] haben[/*][*]Die Wendestellen sollten zur Extremstelle die Standardabweichung [math]\sigma[/math] als Abstand haben[/*][*]Die Fläche unter dem Funktionsgraphen, also das Integral von [math]-\infty[/math] bis [math]\infty[/math], sollte gleich [math]1[/math] sein, weil die Summe aller möglichen Wahrscheinlichkeiten nach wie vor [math]100\%[/math] ergeben muss.[/*][/list][br]Für den Erwartungswert [math]\mu=0[/math] und die Standardabweichung [math]\sigma=1[/math] erfüllt die [b][color=#980000]Dichtefunktion der Standardnormalverteilung[/color][/b] - auch die [b][color=#980000]Gauß'sche Glockenkurve[/color][/b] genannt, diese Bedingungen:[br][math]\Large{\boxed{n(x)=\frac 1{\sqrt{2\pi}}e^{-\frac{x^2}{2}}}}[/math][br]Der Faktor [math]\frac 1{\sqrt{2\pi}}[/math] ist wichtig, weil die Fläche unter dem Funktionsgraphen sonst [math]\sqrt{2\pi}[/math] betragen würde.
[b]Beliebige Standardabweichung:[/b][br]Wenn die Standardnormalverteilung um das [math]\sigma[/math]-fache entlang der Abszisse getrecke bzw. gestaucht wird, dann ist der Abstand der Wendestellen vom Maximum - wie gefordert - genau [math]\sigma[/math]. Das wird erreicht, indem jedes [math]x[/math] in der Standardnormalverteilung durch ein [math]\frac{x}{\sigma}[/math] ersetzt wird. Weil dabei aber auch die Fläche unter der Kurve um das [math]\sigma[/math]-fache geändert wird, muss die Gleichung dann noch durch [math]\sigma[/math] geteilt werden:[br][math]\varphi_{\mu=0,\sigma}(x)=\frac 1{\sigma}\,n\left(\frac x{\sigma}\right)[/math] also [math]\varphi_{\mu=0,\sigma}(x)=\frac 1{\sqrt{2\pi}\cdot\sigma}\cdot e^{-\frac{1}{2}\,\left(\frac{x}{\sigma}\right)^2}[/math][br][br][b]Beliebiger Erwartungswert:[/b][br]Nun muss die Funktion nur noch so entlang der Abszisse verschoben werden, dass der Erwartungswert von [math]0[/math] auf den Wert [math]\mu[/math] verschoben wird. Das wird erreicht, indem jedes [math]x[/math] der Funktion durch ein [math](x-\mu)[/math] ersetzt wird, also [math]\varphi_{\mu,\sigma}(x)=\varphi_{\mu=0,\sigma}(x-\mu)[/math][br]Damit haben wir eine Funktionsgleichung für die gesuchte Glockenkurve erhalten, die [br][br][b][color=#980000]Normalverteilung[/color][/b]:[br][br][math]\Large{\boxed{\varphi_{\mu,\sigma}(x)=\frac 1{\sqrt{2\pi}\cdot \sigma}\cdot e^{-\frac 12\cdot\left(\frac {x-\mu}{\sigma}\right)^2}}}[/math][br][list][*]Der Erwartungswert dieser Funktion, also ihr Maximum, ist [math]\mu[/math][/*][*]Die Wendestellen haben einen Abstand zum Erwartungswert von genau [math]\sigma[/math][/*][*]Die Funktionswerte am Rand gehen gegen Null[/*][*]Die Fläche unter dem Funktionsgraphen von [math]-\infty[/math] bis [math]+\infty[/math] ist gleich [math]1[/math][/*][/list]Das kann im nächsten Geogebra-Applet ausprobiert werden:
[b][color=#980000]Die Wahrscheinlichkeit ergibt sich bei der Normalverteilung immer als eine Fläche unter der Dichte-Funktionskurve[/color][/b]. Diese Fläche kann nur mit Hilfe eines Integrals berechnet werden. Im folgenden Applet lassen sich der Erwartungswert [math]\mu[/math], die Standardabweichung [math]\sigma[/math] und die jeweiligen Integrationsgrenzen eintragen. Das Ergebnis der Normalverteilung wird dann graphisch als Fläche und auch als Ergebnis eines Integrals gezeigt.[br][br][b]Lassen sie sich optisch dabei nicht täuschen:[/b] Eigentlich verändert sich der Funktionsgraph der Dichtefunktion bei unterschiedlichen Werten von [math]\mu[/math] und [math]\sigma[/math], die Glocke ändert dann jeweils ihre [b]Höhe[/b], [b]Breite[/b] und [b]Position[/b]. Im Applet wurde eine Darstellung gewählt, in der sich nicht die Form der Funktion, sondern die [i][b]Skalierung[/b][/i] der Achsen verändert. Sonst wären Ergebnisse für sehr unterschiedliche Erwartungswerte und Standardabweichungen nur schwer in einem Koordinatensystem abzubilden.