Orbit Variationen

Beim Satz von Holditch geht es darum, die Differenz der Flächeninhalte zu bestimmen, die von den Orbits zweier Punkte [math]P[/math] und [math]X[/math] einer Geraden umlaufen werden. Diese Gerade definiert (und visualisiert) einen periodischen Bewegungsvorgang der Ebene. Um dem Beweis des Satzes auf die Spur zu kommen, liegt es daher nahe, für einen beliebigen periodischen Bewegungsvorgang die Variation solcher Orbits und ihrer Flächeninhalte entlang einer Geraden zu untersuchen. Dabei können Teile der vom Orbit eingeschlossenen Fläche mehrfach und in verschiedene Richtungen umlaufen werden, so dass deren Inhalte ggf. mehrfach und mit Vorzeichen berücksichtigt werden müssen. Es handelt sich also jeweils um den von einem Fahrstrahl überstrichenen [i]orientierten Flächeninhalt[/i].[br][br]Mit dem vorliegenden Applet kann diese Untersuchung für verschiedene periodische Bewegungsvorgänge empirisch durchgeführt werden. Es empfiehlt sich, Schritt für Schritt vorzugehen. Eine exakte mathematische Behandlung erfolgt im Anhang.
[b]Anleitung[/b][br][br][list=1][*][b]Grundfunktionen des Applets[/b][br][br][list][*]Bewege die Regler für t und s.[/*][*]Starte den Bewegungsvorgang ("Animation t"). Beobachte die Spur von X.[/*][*]Setze das Häkchen bei "Orbit X". Dadurch wird der Orbit von X direkt vollständig sichtbar. Zusätzlich wird der von X umlaufene orientierte Flächeninhalt angezeigt. Beobachte für verschiedene Werte von s, in welcher Richtung der Orbit durchlaufen wird und wie sich dies auf den Flächeninhalt auswirkt. Was bedeutet f(s)=0 bzw. f(s)<0?[br][/*][/list][/*][br][*][b]Untersuchung der Abhängigkeit des orientierten Flächeninhalts vom Parameter s[/b][br][br][list][*]Untersuche, wie der vom Orbit von X umlaufene orientierte Flächeninhalt vom Parameter s abhängt. Benutze dazu das rechte Grafikfenster. Um welchen Funktionstyp handelt es sich offenbar? [br][/*][*]Der im Applet dargestellte periodische Bewegungsvorgang wird durch den vorgegebenen Orbit von P und das Umlaufverhalten des Richtungsvektors e bestimmt. Untersuche, welchen Einfluss die Parameter n, p-Typ, a und b auf P und e haben.[br][/*][*]Untersuche, wie der Funktionsverlauf im rechten Grafikfenster von den Parametern des Bewegungsvorgangs (s.o,) abhängt. Achte dabei auf [i]Lage [/i]und [i]Form [/i]des Graphen. Betrachte u.a. auch den Sonderfall „Kolben und Pleuelstange“. [br][/*][*]Welcher Orbit von X ergibt sich, wenn der Punkt X „weit draußen“ liegt? Du kannst dazu die Bewegung der Geraden aus großer Entfernung betrachten („Zoom20x“) oder den Orbit von P zu einem Punkt schrumpfen lassen (a=b=0). Welche Erkenntnis liefert das über die Funktion im rechten Grafikfenster?[br][/*][/list][br][/*][*][b]"Beweis" des Satzes von Holditch[/b][br][br]Setze das Häkchen bei „Sehne“. Welches Phänomen ist jetzt zu beobachten (oder auch nicht?), und wie lässt es sich mit dem Funktionsverlauf im rechten Grafikfenster begründen? Genauer:[br][list][*]Welche Länge hat die bewegte Sehne. Welche Bedeutung hat diese im rechten Grafikfenster? Welche Besonderheit trifft auf die Orbits der beiden Endpunkte der Sehne zu? Gilt das immer?[/*][*]Wende die Faustregel für quadratische Funktionen aus dem ersten Kapitel auf die Funktion im rechten Grafikfenster an. Mache ggf. von den angebotenen Hilfslinien und Tipps Gebrauch. [br][/*][*]Setze das Häkchen bei "Ausgangsproblem". Wie lässt sich der Satz von Holditch aus den bisherigen Erkenntnissen ableiten?  Warum spielt die [i]Form [/i]der Randkurve beim Satz von Holditch keine Rolle? Wie lautet ein entsprechender Satz für n≠1?[br][br][br][/*][/list][/*][/list]
[b]Mathematischer Hintergrund[br][/b][br]Wir betrachten die Wirkung eines periodischen Bewegungsvorgangs der Ebene entlang einer Geraden. Für einen festen Zeitpunkt [math]t\in\mathbb{R}[/math] ist [math]s\mapsto p\left(t\right)+s\cdot e\left(t\right)[/math] die Parametrisierung der Geraden in ihrer momentanen Lage, während die Zuordnung [math]t\mapsto p\left(t\right)+s\cdot e\left(t\right)=:x_s\left(t\right)[/math] für ein festes [math]s\in\mathbb{R}[/math] den Orbit eines Punktes [math]X_s[/math] dieser Geraden unter dem Bewegungsvorgang beschreibt. [math]p[/math] und [math]e[/math] sind dabei vorgegeben. Der Richtungsvektor [math]e[/math] überstreicht während einer Periode ein ganzzahliges Vielfaches [math]n\cdot2\pi[/math] eines Vollwinkels. Die Zahl [math]n\in\mathbb{Z}[/math] ist die "Umlaufzahl des periodischen Bewegungsvorgangs". In dieser Situation gilt:[br][b][br]Satz:[/b][br]Die Funktion [math]f[/math], die jedem Parameter [math]s[/math] den orientierten Flächeninhalt der vom Orbit [math]x_s[/math] umlaufene Fläche zuordenet, ist eine quadratische oder (im Falle [math]n=0[/math]) lineare Funktion [math]f\left(s\right)=As^2+Bs+C[/math] mit [math]A=n\cdot\pi[/math].[br][br]Die empirische Untersuchung von [math]f[/math] lässt dies vermuten und zeigt auch, dass der höchste Koeffizient [math]A[/math] nur von der Umlaufzahl [math]n[/math] abhängt. Tatsächlich: Während für ein [math]s[/math] in der Nähe von 0 der Orbit von [math]X_s[/math] ähnlich aussieht wie derjenige von [math]P=X_0[/math] (z.B. eine einfach geschlossene Kurve, wenn der Orbit von [math]P[/math] eine Ellipse ist), so spielt der Orbit von [math]P[/math] für [math]\left|s\right|\rightarrow\infty[/math] praktisch keine Rolle mehr: Geht man nämlich auf der Geraden sehr weit nach außen und schaut sich die Bewegung aus großer Entfernung an, so schrumpft der Orbit von [math]P[/math], der ja eine beschränkte Teilmenge der Ebene ist, in der "Satellitenaufnahme" auf nahezu einen Punkt zusammen. Was man aber erhält, wenn tatsächlich [math]p\left(t\right)=p\left(0\right)[/math] für alle [math]t\in\mathbb{R}[/math] ist, sind [math]n[/math]-fache Durchlaufungen von Kreisbahnen mit dem Radius [math]\left|s\right|[/math] und daher dem orientierten Flächeninhalt [math]n\cdot\pi\cdot s^2[/math]. Da andererseits in der quadratischen Funktion für [math]\left|s\right|\rightarrow\infty[/math] nur der Term [math]As^2[/math] relevant ist, liegt eine plausible Erklärung für [math]A=n\cdot\pi[/math] vor.[br][b][br]Beweis des Satzes von Holditch[/b][br]Damit wird nun schlagartig klar, warum die [i]Gestalt [/i]der Randkurve, auf der beim Satz von Holditch die Sehne [math]PQ[/math] entlanggeführt wird, keine Rolle spielt: Entscheidend ist lediglich, dass die Punkte [math]P=X_0[/math] und [math]Q=X_l[/math] im Abstand [math]l[/math] voneinander [i]denselben [/i]Orbit durchlaufen, und dass daher für die quadratische Funktion [math]f[/math] im obigen Satz [math]f\left(l\right)=f\left(0\right)[/math] gelten muss. Nun haben wir aber bereits bei der Untersuchung des Spezialfalls im ersten Kapitel für beliebige quadratische Funktionen die prägnante Faustformel "A mal rot mal blau gleich gelb" hergeleitet, die unabhängig von der Lage des Graphen im Koordinatensystem gilt. Somit gilt für einen beliebigen Parameter [math]s[/math] mit [math]r:=l-s[/math] und [math]A=n\cdot\pi[/math] die Gleichung [math]n\cdot\pi\cdot s\cdot r=f\left(0\right)-f\left(s\right)[/math]. Wird die Sehne [math]PQ[/math]einmal entlang einer einfach geschlossenen Randkurve geführt, so ist [math]n=1[/math]. Die rechte Seite der Gleichung ist nichts anderes als der orientierte Inhalt der "Ringfläche" zwischen den Orbits von [math]P[/math] bzw. [math]Q[/math] und von [math]X_s[/math], und damit ist der Satz von Holditch bewiesen.[br][br]Ein exakte Ausführung der Details erfolgt im Anhang.

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